Schlagwort-Archive: Asien

Aravind Adiga: Letzter Mann im Turm | ****

Masterij, der verwitwete, pensionierte und angesehene Lehrer, ist der letzte Mann in einem der beiden Wohnhäuser der Vishram Society, einer Eigentümer-Gemeinschaft am Rande eines der zahlreichen Slums in Mumbai. Die anderen Wohnungsbesitzer haben ihre Wohnungen bereits an den windigen Immobilien-Hai Sha verkauft, der die beiden Türme abreißen und dort Luxus-Appartements errichten möchte. Man ahnt, daß diese Geschichte nicht gut enden wird..
Aravind Adiga gelingt in seinem dritten Buch Letzter Mann im Turm ( s.a. Der weiße Tiger & Zwischen den Attentaten ) ein mitreißender Gesellschaftsroman aus dem modernen Indien, in dem die Lebensrealität, Träume & vergeblichen Hoffnungen der Angehörigen der urbanen, unteren Mittelschicht präzise & lebendig portraitiert werden. Der gelungenen Übersetzung von Susann Urban und Ilija Trojanow ist es zu verdanken, daß die Vielstimmigkeit von Adigas Personal mit ihren zahlreichen, unterschiedlichen Sprechweisen einen überzeugenden, sprachlichen Ausdruck erlangt.

Beck | 2011 | 513 Seiten | Hardcover | 9783406621567 | € 19,95

Denis Johnson: Ein gerader Rauch | **

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Der vorliegende voluminöse und mit dem – neben dem Pulitzer-Preis – wichtigsten amerikanischen Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnete Roman des renommierten Autors Denis Johnson – der auch von uns durchaus geschätzt wird – ist eine Enttäuschung. Ein gerader Rauch versucht zuviel und scheitert daran. Johnson erzählt von menschlichen Schicksalen rund um den Vietnam-Krieg – von den dräuenden Verhältnissen auf den Philippinen in den den frühen 60er Jahren, wo sich die zukünftigen Konflikte in Vietnam bereits am Horizont ankündigen, bis zu den eigentlichen Verwicklungen im schmutzigen Krieg in Vietnam und Kambodscha: eine christliche Krankenschwester, ein  CIA-Agent , ein ermordeter Priester und ein Vietcong-Agent bilden das Personal in diesem Roman, der sowohl Ereignisgeschichte abbilden als auch ideengeschichtliches Traktat über Sinn und Unsinn menschlichen Lebens und Sterbens sein will – weder das eine noch das andere gelingt. Schade!

Rowohlt | 2010 | 887 Seiten | Taschenbuch | 9783499240416 | € 12.-

Yan Lianke: Dem Volke dienen | ***

lianke_volkeDer Soldat Wu Dawang hat vom Divisionskommandeur eine delikate Aufgabe bekommen: Er muss sich als persönlicher Adjudant um den Haushalt seines alten Chefs sowie um dessen schöne Gattin kümmern. Da der Kommandeur oft zu wichtigen Konferenzen der Volksbefreiungsarmee unterwegs ist, hat er den Weisungen der Ehefrau unbedingt zu folgen, denn nur so kann er „dem Volke dienen“. An den von ihm geforderten Dienstleistungen hat er nach anfänglichem Zögern großes Vergnügen. Als schließlich im Schlafzimmer des Kommandeurs eine Mao – Büste zu Bruch geht, wird es gefährlich, denn auf diesen konterrevolutionären Akt steht die Todesstrafe im China der Kulturrevolution. Yan Lianke hat einen herrlich respektlosen und absurden Roman geschrieben, der leider auch im heutigen China immer noch verboten ist.

List | 2009 | 205 Seiten | Taschenbuch | 9783548609096 | € 8,95

Aravind Adiga: Zwischen den Attentaten | ****

adiga_zwischenIn diesen Geschichten aus einer Stadt, so der Untertitel dieses Episoden-Romans, führt der Autor den Leser in zwanzig abgeschlossenen, kurzen Erzählungen durch den Alltag einer fiktiven 200.000 – Einwohner-Stadt in der indischen Provinz, angesiedelt zwischen den Jahren 1984 ( Attentat auf die Premierministerin Indira Gandhi) und 1991 ( Attentat auf ihren Sohn, den Premierminister Rajiv Gandhi). Mit leichter Hand und psychologischer Finesse beschreibt Aravind Adiga den sozialen Alltag im modernen Indien. Es sind Geschichten über Kasten & Religionen, über Sprachen & Sprachlosigkeit, über Erfolg und Scheitern – ein beeindruckendes und bewegendes Buch, deutlich besser als Der weiße Tiger, der preisgekrönte und hochgerühmte Debutroman dieses Autors.

Beck | 2009 | 383 Seiten | Hardcover | 9783406592706 | € 19,90

Sherko Fatah: Im Grenzland | ****

fatah_grenzland1Der deutsch-kurdische Autor Sherko Fatah erzählt in seinem Debut-Roman eine Geschichte aus dem Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak: der Protagonist verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Schmuggel von Alltagsgegenständen, die er auf verminten Pfaden durch das schwer zugängliche Bergland und in seinem Rucksack von einem Land ins andere schafft. Die fragile Normalität dieser stets gefährdeten Existenz wird zum Alptraum, als der Geheimdienst beginnt, sich für die Aktivitäten des Schmugglers zu interessieren und sein halbwüchsiger Sohn unter den Einfluß islamistischer Sekten gerät. Trotz des etwas formelhaften Endes gelingt Fatah ein beeindruckendes literarisches Kammerstück über das Leben im politisch, ökonomisch und sozial verwahrlosten Mittleren Osten – eine nachdrückliche Empfehlung, ebenso wie der letzte Roman dieses Autors.

BTB | 2003 | 189 Seiten | Taschenbuch | 9783442730599 | € 9.-

Tim Parks: Träume von Flüssen und Meeren | ****

parks_traume2.jpgDer in Italien lebende und lehrende Brite Tim Parks ist ein Meister des intelligenten, vielschichtigen Gesellschaftsromans. In seinem neuen Roman erkundet John, ein junger Wissenschaftler, nach dem Tod seines mit seiner Mutter in Indien lebenden Vaters die Geschichte seiner Eltern und gerät in einen Strudel unvorhersehbarer Ereignisse und – dies vor allem – erfährt zahlreiche unliebsame Dinge über seine Eltern und sich selbst. Eine souverän und elegant erzählte Geschichte über Schein und Sein in Liebes- und anderen Beziehungen.

Kunstmann | 2009 | 509 Seiten | Hardcover | 9783888975790 | € 22,95