Archiv der Kategorie: Notizen

Dalia Grinkeviciute: Aber der Himmel – grandios | *****

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Ähnlich den zahlreichen Büchern, die ich nach wenigen oder wenigen Dutzend Seiten aus der Hand lege – weil sie nichts taugen oder mir nicht gefallen – gibt es die wenigen anderen, deren erste Sätze, Seiten oder Kapitel bereits von der Qualität des Gesamtwerks künden & die sich deshalb – im Gegensatz zu den erstgenannten, die ohne Bedauern in die Ecke gepfeffert werden – ihren Verbleib in der Erinnerung & in der Bibliothek leichtfüßig verdienen: etwa dieser Bericht aus dem Gulag, den die litauische Autorin 1950 nach abenteuerlicher Flucht aus dem nordsibirischen Straflager, in das sie 1941 als 14-Jährige mit ihrer Mutter und ihrem Bruder deportiert wurde, im heimatlichen Kaunas verfaßte, im Garten vergrub und, nach erneuter Verbannung & Rückkehr nach Litauen, dort nicht mehr fand.

1991, vier Jahre nach dem Tod der Autorin, wurde das Weckglas, in dem sie die losen Seiten vergraben hatte, gefunden, und das Manuskript restauriert und zur zukünftigen Veröffentlichung vorbereitet.

Der Text erzählt vom Leben, vom Überleben & vor allem vom Sterben in einem kleinen Straflager im nördlichen, mittelsibirischen Bergland. Es ist eine Reise in das Herz der Finsternis, die sich hier, an der Mündung der Lena in die arktische See und rund 600 Kilometer nördlich des Polarkreises, als ewiger, eisiger und diesig-verhangener Tag verkleidet hat. Die Komposition dieses Textes ist uneinheitlich & rauh, und er wirkt oft ungefiltert & unbearbeitet, was zum einen die dramatischen Umstände & Erlebnisse widerspiegelt, von denen er berichtet, als auch die Bedingungen seiner Produktion, denn er entstand nicht in der Schreibstube einer Literatin, sondern während eines einjährigen, illegalen Aufenthalts in Kaunas auf der Flucht vor dem KGB. Einfachen Sätzen mit einfachen Worten, die die Fakten des Lebens & Sterbens in geradezu kindlicher Diktion benennen, folgen reflektierende, längere Passagen von beeindruckender Literalität. Selten las’ ich einen Text, dessen existenzielle Wucht mich mehr bewegt hat.

Auch über den reinen Text hinaus ist dieses Buch eine Zierde jeder Bibliothek: es ist ausgezeichnet übersetzt und enthält ein einführendes Vorwort, ein schlußfolgerndes Nachwort, ein Glossar, ein Personenverzeichnis, eine biographische Zeittafel zum Leben der Autorin, sowie s/w-Photographien und zwei Karten-Skizzen vom Ort des Lagers. Es ist ein im Format Klein-Oktav (was in etwa dem Maß eines ›normalen‹ Taschenbuchs entspricht) sorgfältig hergestelltes, gebundenes Buch mit Fadenheftung, das sehr gut in der Hand liegt. Mehr geht (fast) nicht.-

[Dalia Grinkevicute: Aber der Himmel – grandios; Matthes & Seitz, 2014, aus dem Litauischen übersetzt von Vytene Muschick, herausgegeben von Vytene Muschick & Anna Husemann, mit einem Nachwort von Tomas Venclova, geb. m. SU, Fadenheftung, 206 Seiten, ISBN: 9783882213874]

Martin Pollack: Kaiser von Amerika – Die große Flucht aus Galizien | ****

pollack_kaiser»Wie so viele Auswanderer verläßt auch Mendel Beck im Mai 1888 Galizien in der Hoffnung, der Armut und Rückständigkeit seiner Heimatstadt den Rücken zu kehren – hier sieht er keine Zukunft für sich, egal, wie er sich abmüht, er kommt nicht vom Fleck. In Amerika ist das anders, dort bieten sich jedem zahllose Möglichkeiten, man muß es nur verstehen, die Chancen zu nützen. Mendel ist überzeugt, daß er es schaffen kann, an diese Erwartung klammert er sich wie der Ertrinkende an den Strohhalm.« (Seite 66)

Entlang zahlreicher recherchierter Lebensläufe wie dem des jüdischen Flickschusters Mendel Beck erzählt der gelernte Slawist & Historiker und heute als Journalist & Übersetzer tätige Autor Martin Pollack in seinem Buch Kaiser von Amerika von der knapp 40 Jahre währenden Emigrations-Welle, in der Millionen Osteuropäer seit den 1870er Jahren bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs ihre Heimat verließen, um in anderen Teilen der Welt ihr Glück zu suchen.

Im Mittelpunkt dieses erzählenden, historischen Sachbuchs steht das Armenhaus Österreich-Ungarns, das von Oswiecim (Auschwitz) an der Grenze zu Preußen bis Brody &
Tarnopol nahe der Grenze zu Rußland reichende ›Kronland‹ Galizien. In kunstvoll miteinander verschränkten Kapiteln beschreibt Pollack, warum die in Galizien lebenden Polen, Juden, Russen, Ruthenen (Ukrainer), Ungarn & Slowaken auswanderten, auf welchen Wegen & mit welchen Mitteln sie es taten, und welche Folgen die Emigration hatte – für sie selbst & für die daheim gebliebenen Familienmitglieder.

Der titelgebende ›Kaiser von Amerika‹ beschreibt dabei einen Trick, den zahlreiche ›Agenten‹ (heutiger Sprachgebrauch: Schlepper) der großen Hamburger & Bremer Schifffahrtslinien in Galizien anwandten, um ihre potentiellen & analphabetischen Klienten – verelendete Kleinbauern, Tagelöhner & Handwerker – von den Segnungen des gelobten Landes zu überzeugen: der ›Kaiser von Amerika‹, so ging das Verkaufsgespräch, würde, im Gegensatz zu jenem in Wien (oder in St. Petersburg), seine Untertanen wirklich lieben & habe dort ein Paradies auf Erden geschaffen, in das er ausdrücklich die Juden (Polen, Russen etc.) aus Galizien einlade…

Daß die Einwanderer in den Sweat-Shops der Lower East Side, den Stahlwerken Pennsylvanias & den Sümpfen Brasiliens & Argentiniens (auch dahin gingen zwischenzeitlich kleinere Emigrations-Wellen) kein halbwegs erträgliches Leben, geschweige denn ein Paradies, sondern nur eine neue Hölle auf Erden vorfanden, führte dazu, daß viele in die Heimat zurückkehrten, um von dort manchmal, etwa nach der nächsten Dürre- & Lebensmittelkatastrophe, erneut aufzubrechen: vom Regen in die Jauche – und dahin zurück.

Kaiser von Amerika ist – obwohl  reale & tragische Lebensläufe nacherzählt werden – an keiner Stelle rührselig, wie es sogenannte Erfahrungs-Bücher oft sind: der Autor hält sprachlich die Balance zwischen lebendiger & anteilnehmender Schreibweise, ohne die journalistische Präzision zu vernachlässigen. Obwohl es ein ›Lesebuch‹ ist & keinen ›wissenschaftlichen‹ Anspruch hat, habe ich dennoch folgendes vermißt: ein Quellenverzeichnis, ein Literaturverzeichnis zum Weiterlesen, und, vor allem, Legenden zu den knapp 20 beigefügten Photographien aus dem Privatarchiv des Autors, die ohne beschreibende Einordnung leider nur atmosphärisches Beiwerk sind, statt den Text zu illustrieren – schade darum.-

Martin Pollack: Kaiser von Amerika – Die große Flucht aus Galizien | dtv | 2013 | Paperback | 282 Seiten | ISBN: 9783423142656 | € 9,90

Michel Matveev: Die Armee der namenlosen Revolutionäre. Rußland 1905. | *****

matveev_armee»Die russische Revolution von 1905 hat überall gleichzeitig angefangen, von Wladiwostock bis Sewastopol. Um sie vorzubereiten, um in diesem großen Land eine so konzentrierte Leistung zu bringen, bedurfte es einer großen Menge einfacher robuster Revolutionäre, einer Masse von Soldaten. Ich will Ihnen etwas von den bescheidenen Berufsrevolutionären erzählen, wie sie agierten, wie sie lebten, diese Armee der Namenlosen, wie ernst sie es meinten und wie wichtig es Ihnen war.« (Seite 5)

Mit diesen Zeilen beginnt der Zeugenbericht des vermutlich 1892 in Jaffa geborenen Joseph Constantinovsky (später: Constant), dessen Erstausgabe 1929 in Paris unter dem Pseudonym Michel Matveev  erschien, und die man durchaus als knappes & neugierig machendes Inhaltsverzeichnis dieses schmalen Bandes lesen kann.

In kurzen Kapiteln erzählt der Autor von den Lebensbedingungen der Arbeiter, Bauern & Soldaten im Zarenreich unmittelbar vor der Revolution, ebenso wie von den konspirativen Tätigkeiten, die die Vorraussetzungen dafür schufen, daß die seit Jahrzehnten gärende Unzufriedenheit & immer weiter fortschreitende Verelendung der Bevölkerungsmehrheit nicht mehr nur in gewalttätigen, anarchistischen Einzelaktionen sichtbar wurde, sondern durch die Koordinierung & Agitierung großer Bevölkerungsteile, die dann durch Volksaufklärung, Massenaufläufe, Demonstrationen, Straßenkämpfe und Generalstreiks das zaristische Imperium an den Rand des Zusammenbruchs führten.

Matveev berichtet von den Verhältnissen in den Krankhäusern, Kasernen & überfüllten Gefängnissen, von den Elendsquartieren der städtischen Arbeiterschaft & des Lumpenproletariats, von der Hoffnungslosigkeit der durch ständigen Hunger und Alkoholismus völlig verwahrlosten Landbevölkerung. Angesichts derartiger Zustände bedurfte es ungeheuerer Anstrengungen, die ›Erniedrigten und Beleidigten‹ davon zu überzeugen, daß revolutionäres Handeln zumindest die Hoffnung auf ein besseres Leben als das derzeitige verwirklichen könnte.

Die Armee der namenlosen Revolutionäre ist ein fokussierter, literarischer Parforceritt durch die russische Sozialgeschichte unter den Bedingungen revolutionärer Verhältnisse. Matveevs Sprache ist eine vibrierende & widerspiegelt insofern, wovon sie berichtet: mal ähnelt sie einer atemlos gehaltenen Rede, mal der Niederschrift eines fiebrigen Traumes, und die Tatsache, daß sie den Leser tief berührt und bewegt, ist zweifelsohne Rudolf von Bitters gelungener Übersetzung zu verdanken.

Bitter fragt sich in seinem informationsreichen, kundigen Nachwort, ob & in welcher Funktion der damals dreizehnjärige Constantinovsky/Matveev selbst als ›namenloser‹ Revolutionär aktiv teilnehmen haben könne, und vermutet:

»Bei alldem schreibt Mateev nie, was genau seine Tätigkeit gewesen ist im Jahr 1905. War sein Vater der ›mobile Mechaniker‹, der bei den Bauern Agitationsarbeit betreibt und wegen solcher Aktivitäten verbannt wurde? Als Mechaniker und Schlosser war der Autor, damals um die 13 Jahre alt, natürlich der Richtige für den Umgang mit Maschinen. Da er so viel über Druckereien schreibt, möchte man meinen, er sei auf diesem Gebiet tätig gewesen. Immerhin liegt es nahe, und vielleicht wird man es eines Tages noch herausfinden. Zunächst ist dies Buch vor allem ein Zeugnis aus erster Hand, plastisch, subjektiv, lebhaft und spannend.« (Seite 130)

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer vielleicht, daß dieses Buch auch außergewöhnlich schön gestaltet ist, was nicht nur für den Umschlag gilt, sondern auch für Layout, Typographie & Papier. Starke Empfehlung!

Michel Matveev: Die Armee der namenlosen Revolutionäre. Rußland 1905. | aus dem Französischen mit Anmerkungen & einem Nachwort von Rudolf von Bitter | Weidle Verlag | 2014 | fadengeheftete Broschur | 129 Seiten | ISBN: 9783938803639 | € 16,90

Maxim Biller: Im Kopf von Bruno Schulz | *****

biller_kopf„Wie sie sehen, sehr verehrter Herr Thomas Mann, dachte Bruno, ist Ihr Doppelgänger nicht der einzige in Drohobycz, der seine Sinne nicht mehr beisammen hat. Bei meiner Schwester Hania hat es schon sehr früh angefangen, und noch überstürzter verließ mein Vater die Welt und begab sich, lange vor seinem Tod, in das Zwischenreich, in dem er, wie er glaubte, Menschen, Tiere und Pflanzen ohne Worte miteinander sprechen können.“ (S. 24)

Maxim Biller begibt sich in seinem neuen Buch Im Kopf von Bruno Schulz genau dorthin: in die Innenperspektive des polnisch-jüdischen Dichters und Grafikers Bruno Schulz (1892 – 1942), der im Jahr 1938, die bedrohliche Expansion des Nationalsozialismus in Europa vor Augen & die unmittelbar bevorstehende Vernichtung des osteuropäischen Judentums bereits ahnend, in seiner galizischen Heimatstadt Drohobycz einen Brief an Thomas Mann verfaßt. Darin schildert er zum einen das rätselhafte Auftauchen eines scheinbaren Doppelgängers von Thomas Mann in der verschlafenen Provinzstadt, zum anderen bittet er den berühmten Dichter, er möge sich doch für sein eigenes, in Westeuropa nahezu unbekanntes, schriftstellerisches Werk einsetzen.

In düsteren Farben und mittels der literarischen Phantastik entlehnten Bildern & Allegorien zeichnet Biller in dieser Novelle ein Bildnis des Künstlers als unglücklicher Mensch & eine Momentaufnahme einer am Rande des Zusammenbruchs stehenden Welt. Große Literatur.-

Maxim Biller: Im Kopf von Bruno Schulz | Kiepenheuer & Witsch | 2013 | Leinen | mit sechs Zeichnungen von Bruno Schulz | 69 Seiten | 9783462046052 | € 16,99

Hermann Peter Piwitt: Lebenszeichen mit 14 Nothelfern | *****

Herrmann Peter Piwitt: Lebenszeichen mit 14 Nothelfern„Und wir hatten Fluchtwege. Das riesige Haus, wo sich im Lauf der Zeit immer neue bislang verbotene Zimmer, Kammern, Dachböden auftaten. Wälder und Teiche, die ganze Welt stand uns offen. Das ganze Land drum herum. Wir flüchteten vor der Familie nicht. Wir nahmen sie einfach nicht wahr. Wir liefen im Winter Schlittschuh. Und gruben sommers uns Höhlen in Strohmieten. Wir gingen in die Teichwiesen zum Schwimmen. Und wenn es regnete, kamen wir abends von Freunden, vom Briefmarkentauschen, heim und waren hungrig. Habe ich je Schularbeiten gemacht? Ich erinnere mich nicht.“ (S. 10)

Die Lektüre von Hermann Peter Piwitts schmalem Erinnerungsbuch Lebenszeichen mit 14 Nothelfern läßt den Leser demütig zurück: wegen der Schönheit seiner knappen Sätze ebenso wie der pointierten Zuspitzungen, die nie wegen des Effektes oder billigen Beifalls gesetzt werden; und auch wegen der kunstvollen Verschränkung der erzählten Erlebnisse & Reflexionen, die die rein chronlogische Erzählung immer wieder aufhebt und in sorgsam komponierter Vor – und Rückschau die Gewißheiten eines linearen Lebenslaufs konterkariert.

Wie wird man, was man ist, wenn man kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in ein vermufftes und dünkelhaftes Mitläufer-Elternhaus hineingeboren wird? Piwitt beschreibt die kindlichen Fluchten aus dem familiären Korsett, denen die postpubertäre Rebellion folgt und die intellektuelle Prägung in den 50er Jahren durch das Studium in Frankfurt bei Adorno. Danach dann Wanderjahre nach Hamburg, Berlin und wieder zurück nach Hamburg: die Versuche, als Schriftsteller Fuß zu fassen, sind mal mehr, mal weniger erfolgreich; die Versuche, im literarischen Betrieb fest angestellt zu reüssieren, scheitern. Er bleibt, obwohl er in den 70ern für alle großen Feuilletons schreibt, ein Außenseiter. In der Würdigung eines seiner ‚Nothelfer‘ wird deutlich, warum:

„Und noch einem verdanke ich, daß ich weiterlebte. Hermann L. Gremliza. Sein Ekel vor den großen Räubern und denen, die ihr armseliges Talent ihnen zur Verfügung stellten, um an ihren Tischen sitzen zu dürfen, war unerbittlich; wie verzweifelt er oft war, ließ er sich nicht anmerken. Er wurde krank und gesundete. Er ist unter den Nothelfern, die mir wohlwollten.“ (S. 84)

Einhergehend mit dem Älterwerden dann die Entdeckung des Südens als Rückzugsraum und – 20 Jahre später – der Verkauf des Anwesens in Italien, nachdem die neoliberale Verwertungslogik aus dem Bergdorf ein Touristenkaff gemacht hat. In die Beschreibung der eigenen Krankheiten-Historie schleicht sich dann ein galliger Tonfall, der komischer Elemente nicht entbehrt. Das schönste Wort in diesem an schönen Worten nicht armen Buch ist übrigens ‚Raffgardinenmilieu‘.-

Hermann Peter Piwitt: Lebenszeichen mit 14 Nothelfern | Wallstein | 2014 | Gebunden | 143 Seiten | 9783835313798 | € 17,90

George V. Higgins: Die Freunde von Eddie Coyle | *****

„In einer aufgelassenen Kiesgrube bei Orange, Massachusetts, war ein Trailerpark. Im Dunkeln fuhr Eddie Coyle mit seinem alten Sedan de Ville langsam durch die Reihen der Trailer. Die eckigen Scheinwerfer waren aufgeblendet, die Breitreifen ragten rechts und links über die Ränder des schmalen Asphaltwegs. Vor einem hellblau und gelb gehaltenen Trailer mit schmiedeeisernen Verzierungen und einer mickrig wirkenden Stahltreppe hielt er an. Der Unterbau des Trailers war hinter silbrig glänzendem Stoff verborgen. An den Fenstern hingen Vorhänge, hinter denen Licht schimmerte.“ (S. 110)

Die Story von Die Freunde von Eddie Coyle, des ersten, 1971 erschienen Romans des amerikanischen Juristen & Schriftstellers George V. Higgins (1933 – 1999), der bereits 1973 unter dem Titel Hübscher Abend bis jetzt erstmalig ins Deutsche übersetzt wurde (Hoffmann & Campe; Übersetzer: Ben Witter), ist schnell erzählt: der kleinkriminelle Dieb & Waffenschieber Eddie Coyle glaubt, durch einen scheinbar leichten Deal mit dem Polizisten Dave Foley einer anstehenden Verurteilung zu entgehen. Nachdem er einen seiner Kunden verraten hat, wähnt er sich auf der sicheren Seite. Daß dies ein Irrglaube war, wird schnell klar, nachdem die italienischen Mobster der Bostoner Unterwelt um Jimmy Scalisi sowie der als Polizeispitzel tätige Kneipenbesitzer Dillon ins Spiel kommen: und so gerät, wer seine vermeintlichen Freunde verrät, schnell selbst in die Schußlinie.

Higgins komponiert diese düstere Gangstergeschichte um Verrat und Vergeltung mit eleganter Hand. Seine Beschreibungen des Personals und der Szenerie sind äußerst knapp & treffend, und die Dialoge kann man nicht anders als phantastisch nennen. Dirk van Gunsterens Übersetzung trifft die unterschiedlichen Sprechweisen und den Jargon aufs Genaueste. Großes Lesevergnügen!

George V. Higgins: Die Freunde von Eddie Coyle | Kunstmann | 2014 | aus dem Englischen von Dirk van Gunsteren | broschiert | 189 Seiten | 9783888979125 | € 14,95