Schlagwort-Archive: Failed States

Don Winslow: Tage der Toten | ****

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Der neue Kriminalroman von Don Winslow nimmt das internationale Drogen – Business in den Blick und erzählt dem Leser eine komplexe und gut komponierte Story, die von Macht, Funktionsweise und den  Konkurrenzkämpfen der nordmexikanischen Drogenkartelle handelt und dem mehr oder minder misslingendem Kampf dagegen: wo so viel Geld verdient wird wie in dieser Schattenwirtschaft, sind zahlreiche korrupte Politiker, Richter und Polizisten daran interessiert, den Beamten der ermittelnden Behörden – DEA, FBI, CIA – ihre Arbeit so schwer wie möglich zu machen. Tage der Toten ist ein sehr gut recherchierter, temporeicher Narco-Thriller mit melodramatischem Ende – empfehlenswert!

Suhrkamp | 2010 | 690 Seiten | Paperback | 9783518462003 | € 14,95

Nick McDonell: Ein hoher Preis | ***

Layout 1Dieser Polit- und Geheimdienstthriller enthält alles, was das Genre verlangt: CIA-Agenten, zwielichtige „Freiheitskämpfer“ am Horn von Afrika und idealistische Intellektuelle, die Opfer von politischer Desinformation und Verleumdung werden. Nick McDonell kann gut und flott schreiben, allein die Charaktere dieser spannenden Geschichte bleiben doch an etlichen Stellen etwas blaß. Graham Greene, der vom Verlag bemühte Referenz-Autor, läßt zwar grüßen, aber aus großer Ferne.

Berlin Verlag | 2010 | 302 Seiten | Hardcover | 9783827009449 | € 22.-

Fabrizio Gatti: Bilal. Als Illegaler auf dem Weg nach Europa | ****

gatti_bilalAuf der Flucht vor Armut und (Bürger-) Krieg sterben jährlich tausende Afrikaner an den Grenzen der Festung Europa. Eine der Hauptfluchtrouten verläuft von Westafrika durch die Staaten Mali und Niger quer durch die Sahara bis an die libysche Küste. Von dort aus geht es weiter auf ausgemusterten Fischerbooten nach Italien zur Insel Lampedusa. Wir kennen die Bilder: auf völlig überfüllten Schiffen sind halb verhungerte und verdurstete Menschen zu sehen, die von der Küstenwache in italienische Internierungslager gebracht werden. Der Journalist Fabrizio Gatti liefert eine glänzende Reportage dieser Leidens–Odyssee. Er ist auf LKWs mitgefahren, die mit bis zu 250 Menschen beladen sind, er berechnet, wieviel Gewinn ein Fahrzeug mit Flüchtlingen abwirft und wer davon profitiert. Gatti schleicht sich in Wallraff – Manier ins Lager auf Lampedusa ein und beschreibt die skandalösen Zustände, die dort herrschen. Diese aufwühlende Reportage gräbt sich tief in unser Gedächtnis ein und hinterlässt starke Zweifel, ob wir wirklich in der besten aller Welten leben.

Antje Kunstmann | 2010 | 457 Seiten | Hardcover | 9783888975875 | 24,90 €

Nuruddin Farah: Netze | *****

farah_netzeDas Cover dieses großartigen Buches legt nahe, es ginge darin um Stammesangelegenheiten in irgendeinem afrikanischen Land. Das führt in die Irre, denn der somalische Autor Nurrudin Farah erzählt in Netze die Geschichte einer modernen und gebildeten, im kanadischen Toronto lebenden somalischen Frau. Nach der Scheidung von ihrem Mann, dem Tod ihres Sohnes und den gescheiterten Versuchen beruflicher Selbstverwirklichung im Exil  beschließt sie, in das vom 10-jährigen Bürgerkrieg zerstörte Mogadishu zurückzukehren, um das von einem Warlord besetzte Haus ihrer Familie wieder in Besitz zu nehmen. Cambara gelingt es, Beziehungen zu Menschen zu knüpfen, die nicht in der Logik des Bürgerkriegs gefangen sind, um ihre Ziele zu erreichen – beeindruckende Literatur. Obwohl das Jahr noch jung ist: mein Buch des Jahres.

Suhrkamp | 2010 | 483 Seiten | Hardcover | 978-3-518-42103-1 | € 28,80

Sherko Fatah: Im Grenzland | ****

fatah_grenzland1Der deutsch-kurdische Autor Sherko Fatah erzählt in seinem Debut-Roman eine Geschichte aus dem Grenzgebiet zwischen der Türkei und dem Irak: der Protagonist verdient seinen Lebensunterhalt mit dem Schmuggel von Alltagsgegenständen, die er auf verminten Pfaden durch das schwer zugängliche Bergland und in seinem Rucksack von einem Land ins andere schafft. Die fragile Normalität dieser stets gefährdeten Existenz wird zum Alptraum, als der Geheimdienst beginnt, sich für die Aktivitäten des Schmugglers zu interessieren und sein halbwüchsiger Sohn unter den Einfluß islamistischer Sekten gerät. Trotz des etwas formelhaften Endes gelingt Fatah ein beeindruckendes literarisches Kammerstück über das Leben im politisch, ökonomisch und sozial verwahrlosten Mittleren Osten – eine nachdrückliche Empfehlung, ebenso wie der letzte Roman dieses Autors.

BTB | 2003 | 189 Seiten | Taschenbuch | 9783442730599 | € 9.-

Denis Johnson: In der Hölle | *****

johnson-_holleDrei literarisch-erzählende Reportagen aus den verheertesten Regionen dieser Welt, Liberia und Somalia in den 90er Jahren. Denis Johnsons „Blicke in den Abgrund der Welt“ (Untertitel) nehmen den Leser mit auf eine Reise zu Orten des Grauens, deren einzige Konstanten Willkür, Müll und die ständige Anwesenheit des Todes sind. Großartig  (s.a „Unbesiegbar„).

Rowohlt | 2008 | 187 Seiten | Taschenbuch | 9783499245817 | € 8,95