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Amir Hassan Cheheltan: Amerikaner töten in Teheran | ****

In sechs eng miteinander verschränkten Episoden erzählt der iranische Autor Amir Hassan Cheheltan in seinem neuen Buch Amerikaner töten in Teheran eine kurze Geschichte des Iran im 20. Jahrhundert und der Ursachen antiamerikanischer Ressentiments. Ausgehend von der Emordung des amerikanischen Botschaftsangehörigen Robert Imbrie, der im Jahr 1924 während einer religiösen Massenzeremonie vom schiitischen Pöbel erschlagen wird, führt der Autor den Leser entlang wichtiger Wegmarken durch die iranische Geschichte: dem 1953 maßgeblich von der CIA vorbereiteten Putsch des Schahs gegen die demokratisch legitimierte Regierung Mossadegh; der Ermordung eines amerikanischen Militärberaters durch Mitglieder einer kommunistischen Widerstandsgruppe im Jahr 1973; dem Anschlag islamistischer Terroristen auf ein hauptsächlich von Amerikanern besuchtes Restaurant 1978, bei dem der Großneffe von Robert Imbrie ums Leben kommt, bis zu einer Massenhinrichtung durch die Islamisten im Jahr 1988, der auch Resa, ehemaliger Kommunist und Widerstandskämpfer gegen das Schah-Regime, zum Opfer fällt.
Diese „Geschichten der Geschichte“ eines komplexen geo-kulturellen Raumes zwischen religiösem Wahn, den Versuchen zaghafter Modernisierung und imperialer Machtpolitik zwecks Ausbeutung des Ölreichtums sind spannend, sprachlich souverän erzählt und dramaturgisch geschickt kombiniert.

Beck | 2011 | Hardcover | 187 Seiten | 9783406621604 | € 18,95

Abdourahman A. Waberi: Tor der Tränen | ***

Dschibril hat eine heikle Mission: Der gebildete Kanadier soll eine Erkundungstour in sein Geburtsland Djibouti unternehmen, um für seine Firma „Adorno Location Scouting“ zu prüfen, ob sich Investitionen in dem Staat am Horn von Afrika wieder lohnen. Doch Dschibril wird beschattet. Islamisten wissen über jeden seiner Schritte Bescheid. Die Kommandos dazu kommen aus einem Gefängnis, in dem ein hochrangiger Djihadist mit seinen Jüngern einsitzt. Schnell sind wir darüber im Bilde, dass Dschibril mit einem der Gotteskrieger verwandt ist.
Abdourahman A. Waberis Roman ist spannend und intelligent geschrieben. Er beschreibt gekonnt die Zerrissenheit von Menschen in einer globalen Welt. Allerdings wirkt das Buch etwas überladen, da in die Handlung, die aus zwei Perspektiven erzählt wird, auch noch die Lebens- und Leidensgeschichte des deutschen Philosophen Walter Benjamin eingearbeitet wurde, der 1940 auf der Flucht vor den Nazis Selbstmord beging.

Edition Nautilus | 2011 | 159 Seiten | Hardcover | 9783894017347 | 16,00 € |

John Gray: Politik der Apokalypse – Wie Religion die Welt in die Krise stürzt | ***

gray_politikDer an der London School of Economics lehrende John Gray versucht in seinem neuen Buch nachzuweisen, daß die großen, säkularen Bewegungen der Neuzeit – Jakobinismus, Bolschewismus, Nationalsozialismus und der derzeit vorherrschende neokonservative Liberalismus – mehr mit den eschatologischen und apokalyptischen Tendenzen des Frühchristentums und der millenaristischen Sekten des Mittelalters zu tun haben, als es gemeinhin angenommen wird. Kenntnisreich und in nüchternem, eleganten Duktus – also in erfreulichem Gegensatz zu den Erwartungen, die der etwas reißerische Titel weckt – führt der Autor den Leser durch die ideengeschichtliche Welt des Abendlandes. Man muß nicht in jedem Detail der Argumention zustimmen, um dieses spannende Buch mit Gewinn lesen zu können.

Klett-Cotta | 2009 | 363 Seiten | 9783608941142 | € 22,90