Schlagwort-Archive: Kommunismus

Leonardo Padura: Der Mann, der Hunde liebte | ****

Der cubanische Autor Leonardo Padura, der im deutschen Sprachraum mit seinem Kriminalromanzyklus „Das Havanna Quartett“ bekannt geworden ist, legt mit Der Mann, der Hunde liebte einen bemerkenswerten politisch-historischen Roman vor. Eingebettet in eine Rahmenhandlung, die im Cuba der 1990er Jahre spielt (und die gerne etwas knapper hätte ausfallen dürfen) und jene Zeit extremer materieller Not und geistiger Hoffnungslosigkeit nach dem Zerfall der Sowjetunion auf der Karibikinsel in eindrücklichen Bildern schildert, erzählt Padura aus wechselnden Perspektiven die Geschichte zweier Männer, deren Schicksale verhängnisvoll miteinander verknüpft sind. Zum einen ist es die Geschichte des exilierten russischen Revolutionärs Leo Trotzki vom Zeitpunkt seiner Verbannung im Jahr 1929 bis zu seiner Ermordung 1940 in Mexiko, zum anderen die seines Mörders, des spanischen orthodoxen Kommunisten Ramon Mercader. Scheinbar mühelos gelingt es dem Autor, die komplizierten Geschehnisse der dreißiger Jahre in der Folge des endgültigen Scheiterns der russischen Revolution les- und verstehbar zu machen: die Ausschaltung Trotzkis als mächtigsten Kritiker der stalinistischen Diktatur ebenso wie die Hinrichtung zahlloser Veteranen der Oktober-Revolution während der Moskauer Schauprozesse, und nicht zuletzt die von Stalin aktiv betriebene Niederlage der Republikaner im spanischen Bürgerkrieg. Der Mann, der Hunde liebte ist ein ungemein spannender, historischer Thriller, auf dessen Verfilmung von Loach, Spielberg, Inarritu oder Soderbergh wir uns jetzt schon freuen.

Union | 2011 | Hardcover | 729 Seiten | 9783293004252 | € 24,90 |

Karl Schlögel: Terror und Traum – Moskau 1937 | *****

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Der Slawist und Kulturwisschenschaftler Karl Schlögel unternimmt in diesem Buch den Versuch, die Stadt Moskau zwischen den Jahren von 1936 bis 1938, also dem Zeitraum der stalinistischen Schauprozesse, unter Zuhilfenahme nicht nur linearer, ereignisgeschichtlicher, sondern auch allttags-, sozial- und kulturgeschichtlicher Methoden und Vorgänge zu portraitieren. Schlögel sieht erst in der Betrachtung der Gleichzeitigkeit von politischem Terror einerseits und den urbanen Dynamiken andererseits – also den zeitgleich und am gleichen Ort stattfindenden Ereignissen und Entwicklungen in den Bereichen Architektur und Stadtplanung, Film und Musik, Wissenschaft und Publizistik, Alltagsleben und Existenzsicherung – den Schlüssel zum Verständnis sowohl des politischen Terrors als auch des emanzipatorischen Traums, den die sowjetische Metropole in diesem Zeitraum versinnbildlichte. Die Umsetzung dieser vom Autor als „narrative Gleichzeitigkeit“ bezeichneten Methode ist mehr als gelungen: in drei Dutzend großen und kleinen  Kapiteln führt Schlögel den Leser scharfsinnig und erkenntnisreich durch diesen faszinierenden Stadt- und Zeitraum – ein außergewöhnlich gelungenes Buch, das auch noch glänzend geschrieben ist.

Hanser | 2008 | 811 Seiten | Hardcover | 9783446230811 | € 29,90

John Gray: Politik der Apokalypse – Wie Religion die Welt in die Krise stürzt | ***

gray_politikDer an der London School of Economics lehrende John Gray versucht in seinem neuen Buch nachzuweisen, daß die großen, säkularen Bewegungen der Neuzeit – Jakobinismus, Bolschewismus, Nationalsozialismus und der derzeit vorherrschende neokonservative Liberalismus – mehr mit den eschatologischen und apokalyptischen Tendenzen des Frühchristentums und der millenaristischen Sekten des Mittelalters zu tun haben, als es gemeinhin angenommen wird. Kenntnisreich und in nüchternem, eleganten Duktus – also in erfreulichem Gegensatz zu den Erwartungen, die der etwas reißerische Titel weckt – führt der Autor den Leser durch die ideengeschichtliche Welt des Abendlandes. Man muß nicht in jedem Detail der Argumention zustimmen, um dieses spannende Buch mit Gewinn lesen zu können.

Klett-Cotta | 2009 | 363 Seiten | 9783608941142 | € 22,90

Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes – die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 | *****

figes_tragodie1Ein unglaubliches Buch ! Orlando Figes liefert eine umfassende Ereignis- und Sozialgeschichte einer Epoche. Er beschreibt detailliert das rückständige Russland und die unglaubliche Armut, den Aberglauben und die Dummheit der in sklavischer Abhängigkeit ihrer Großgrundbesitzer lebenden bäuerlichen Bevölkerung in den Dörfern der russischen Provinz. Er schildert den Aufstieg der Bolschewiki, die Revolution von 1917 und den darauf folgenden Bürgerkrieg, der von beiden Seiten mit äußerster Grausamkeit geführt wurde. Dabei räumt er mit rechten und linken Mythen zur Oktoberrevolution gründlich auf. Das Buch gilt zu Recht als Standardwerk.

Berlin Verlag | 2008 |  975 Seiten | 9783827008138 | Taschenbuch | € 19,90

Karl Marx: Manifest der kommunistischen Partei | ****

marx_manifestMan muß kein Linker ( oder gar Kommunist ) sein, um diesen gerade mal 37 Reclam-Seiten langen Text der Weltliteratur im hier von Christian Brückner gelesenen Hörbuch faszinierend und spannend zu finden. Brückner gelingt es mühelos, die großen Thesen wie auch die Details „hörbar“ zu machen, und nach 78 Minuten bleibt lediglich die Frage, warum die hier verhandelten Themen auch heutigen Hörern und Lesern bekannt vorkommen. So what..?

Edition Parlando | 2000 | 78 Minuten | 1 CD | 3-935125-05-4 | € 15,95

Gregor Kritidis: Linkssozialistische Opposition in der Ära Adenauer | ***

kritidisUmgeschriebene Dissertation. Geschätzte Auflage: 500. Spannendes Buch über Alternativen jenseits von Kasernenhofsozialismus und den Zumutungen der Sozialen Marktwirtschaft | AS |

Offizin | 2008 | 286 Seiten | Hardcover | 
9783930345618 | € 34,80