Schlagwort-Archive: Krieg

Nicolai Lilin: Freier Fall | ****

Buchcover von Nicolai Lilin: Freier FallNach Sibirische Erziehung, seinem ersten autobiographischen Roman aus dem kriminellen Milieu der postsowjetischen Tristesse, legt der russische Autor  Nicolai Lilin mit Freier Fall nun einen weiteren Doku-Roman vor, der seine Erlebnisse als strafversetztes Mitglied einer russischen Spezial-Einheit im Tschetschenien-Krieg schildert. Die hier detailliert beschriebenen Kriegsverbrechen beider Seiten sind nichts für Leser mit schwachen Nerven. Und obwohl die sprachlichen Qualitäten dieses Buches nicht weiter erwähnenswert sind, bleibt die Lektüre dennoch spannend und empfehlenswert: zum einen als literarische Momentaufnahme aus der zerfallenen Sowjetunion, zum anderen als kleiner Kommentar zum laufenden Weltgeschehen 1989ff.

Suhrkamp | 2011 |  398 Seiten | Paperback | 9783518462607 | € 14,95 |

Richard Overy: Russlands Krieg 1941- 1945 | *****

Buchcover von Richard Overy: Russlands Krieg 1941- 1945Vor 70 Jahren begann der Überfall Nazideutschlands auf die Sowjetunion. Von Anfang an wurde der Krieg im Osten als Vernichtungskrieg gegen die Zivilbevölkerung geführt. Insgesamt hatte die Sowjetunion nach neuesten Zahlen 27 Millionen Opfer zu beklagen. Richard Overy, Professor für Geschichte an der Universität Exeter und Autor verschiedener Bücher zur Geschichte des Zweiten Weltkriegs, schildert alle Stationen des grausamsten Krieges der Geschichte der Menschheit. Er beschreibt ausführlich die Vor- und Nachgeschichte des Krieges und lässt alle Ereignisse Revue passieren: von den Anfangssiegen der Wehrmacht über die Aushungerung Leningrads bis zur Kriegswende 1942/43 in der Schlacht von Stalingrad und weiter mit den Meilensteinen zum Sieg über das Hitlerregime, der Panzerschlacht bei Kursk und der Eroberung Berlins. Trotzdem ist das Buch keine reine Militärgeschichte. Es schildert ausführlich die Leiden der Zivilbevölkerung und der einfachen Soldaten. Overy führt uns den militärischen Dilettantismus Stalins vor Augen, der alle Warnungen vor dem deutschen Angriff beharrlich ignorierte und nach dem Sieg alle populären Militärs, die ihm gefährlich werden konnten, entweder kaltstellte, in Gulags deportieren oder ermorden ließ. Das Buch räumt gründlich mit dem Mythos vom „sauberen Krieg“ der Nazi – Wehrmacht auf. Jeder, der sich für die Vergangenheit, die noch nicht vergangen ist, interessiert, sollte es lesen.

Rowohlt | 2011 | 554 Seiten | Taschenbuch | 9783499627156 | 13,99 €|

Antony Beevor: D-Day – Die Schlacht um die Normandie | ****

beevor_d-dayDer britische Historiker und Publizist, der bereits zahlreiche, umfangreiche Werke zum zweiten Weltkrieg vorgelegt hat – Spanischer Bürgerkrieg, Schlacht um Stalingrad, Schlacht um Berlin, Luftschlacht um Kreta – schildert in seinem neuen Buch kenntnis- und detailreich die Invasion der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944: von den schwierigen Vorbereitungen unmittelbar vor der Invasion über die für die Alliierten sehr verlustreiche Anlandung und die monatelang sich hinziehenden, schweren Kämpfe in Normandie, Bretagne und Pariser Umland bis zur Vertreibung von SS und Nazi-Wehrmacht aus Paris. Anfängliche Zweifel an Sinn und Zweck derart detaillierter Beschreibung von Kampfhandlungen und strategisch-taktischen Entscheidungen verschwinden rasch bei fortschreitender Lektüre, da der Autor es ausgezeichnet versteht, die komplexen Zusammenhänge hinter den Kampfhandlungen und Entscheidungen anschaulich zu machen.
Die ausführliche Beschreibung alliierter Kriegsverbrechen an der französischen Zivilbevölkerung sorgte im anglo-amerikanischen Sprachraum für allerlei Aufregung. Für hiesige Leser scheint mir der Blick, den der Autor auf die zur Zeit des Stauffenberg-Attentats in der Wehrmachtsführung in Frankreich kämpfenden „Sympathisanten“ des Widerstands wirft, von größerer Bedeutung, denn er zeigt, wie verzagt und feige diese „Widerstandskämpfer“ waren. Statt mutige persönliche Entscheidungen gegen das Hitler-Regime zu treffen – angesichts der nicht mehr zu leugnenden, baldigen Niederlage – , entschieden sie sich für den Kampf  „bis zum letzten Mann“.

C. Bertelsmann | 2010 | 636 Seiten | Hardcover | 9783570100073 | € 28.-

Witold Bereś/Krzysztof Burnetko: Marek Edelmann erzählt | *****

beres_edelman6Der erst vor wenigen Monaten neunzigjährig verstorbene Marek Edelman war einer der wenigen Überlebenden des Warschauer Ghettos und einer der militärischen Kommandanten der Jüdischen Kampforganisation (ZOB), die maßgeblich am Aufstand im Warschauer Ghetto beteiligt war. Nach der Flucht aus dem Ghetto beteiligte er sich am Partisanenkampf in den Wäldern um Warschau und am Warschauer Aufstand. Nach dem Zweiten Weltkrieg arbeitet Edelman als Kardiologe und wirkt jahrzehntelang als Mitglied der demokratischen Opposition in Polen; 1980 ist er Mitgründer der Solidarnosz, deren links-sozialdemokratischem Flügel er sich Zeit seines Lebens verbunden fühlt.
In einer Mischung aus direkten und indirekten Interviews sowie zahlreichen Zitaten aus  Büchern, Reden und sonstigen Schriften Edelmans und zahlreicher Zeitzeugen kompilieren die polnischen Journalisten Witold Bereś und Krzysztof Burnetko ein vielschichtiges biographisches Portrait dieser beeindruckenden Persönlichkeit unter besonderer Berücksichtigung der Ereignisse im Ghetto – großartig!

Parthas | 2009 | 687 Seiten | Hardcover | 9783869640129 | € 24.-

Orlando Figes: Die Tragödie eines Volkes – die Epoche der Russischen Revolution 1891 bis 1924 | *****

figes_tragodie1Ein unglaubliches Buch ! Orlando Figes liefert eine umfassende Ereignis- und Sozialgeschichte einer Epoche. Er beschreibt detailliert das rückständige Russland und die unglaubliche Armut, den Aberglauben und die Dummheit der in sklavischer Abhängigkeit ihrer Großgrundbesitzer lebenden bäuerlichen Bevölkerung in den Dörfern der russischen Provinz. Er schildert den Aufstieg der Bolschewiki, die Revolution von 1917 und den darauf folgenden Bürgerkrieg, der von beiden Seiten mit äußerster Grausamkeit geführt wurde. Dabei räumt er mit rechten und linken Mythen zur Oktoberrevolution gründlich auf. Das Buch gilt zu Recht als Standardwerk.

Berlin Verlag | 2008 |  975 Seiten | 9783827008138 | Taschenbuch | € 19,90

Hans Prescher: General Kreipe wird entführt. Ein Husarenstück auf Kreta 1944 | ***

kreipe2Ein kleines Büchlein über die Entführung des kommandierenden Wehrmachtsgenerals durch ein Kommando von englischen Geheimdienstoffizieren und kretischen Partisanen im Jahr 1944. 18 Tage lang verfolgt von deutschen Truppen, gelingt es den Entführern, Kreipe nach Ägypten zu bringen und so einen Popagandacoup gegen Nazideutschland zu erzielen. Für mich war es eine spannende Lektüre nach meinem Kreta-Urlaub. Für die Allgemeinheit interessanter sind vielleicht zwei sehr schöne Reisebücher des Kopfes der Entführer, Patrick Leigh Fermor .

Balistier | 2007 | 85 Seiten | Taschenbuch | 9783937108117 | € 10,50