Schlagwort-Archive: Hanser

Wilhelm Genazino: Wenn wir Tiere wären | ***

Wilhelm Genazino, dessen neuer Roman auf der diesjährigen Long-List zum Deutschen Buchpreis stand, gab sich jüngst in dieser Angelegenheit als schlechter Verliererer zu erkennen und kritisierte das Procedere der Preisverleihung als „aufgebauscht“, was nicht wirklich nachvollziehbar ist.
Dabei ist die Entscheidung der Jury, Wenn wir Tiere wären nicht einmal für die Short-List zu nominieren, mehr als verständlich, denn in diesem Roman erzählt Genazino zum wiederholten Mal seit seiner Abschaffel-Trilogie aus dem Jahre 1977 die gleiche Geschichte aus dem beschädigten Leben eines mittelalten Mannes, dessen Marotten, Ticks und Neurosen zwar literarisch gekonnt und zuweilen auch amüsant inszeniert werden, aber im Rückblick auf die zahlreichen vorherigen Bücher mit ähnlichem Personal & ähnlichen Themen mittlerweile doch etwas redundant erscheinen. Wer Genazino kennenlernen möchte, ist gleichwohl hiermit bestens bedient, und für Fans (der ich auch einmal war..) ist dieses Buch sowieso die perfekte Fortschreibung der scheinbar unendlichen Geschichten aus der Feder dieses Autors.

Hanser | 2011 | Hardcover | 158 Seiten | 9783446237384 | € 17,90

Karl Schlögel: Terror und Traum – Moskau 1937 | *****

schloegel_terror

Der Slawist und Kulturwisschenschaftler Karl Schlögel unternimmt in diesem Buch den Versuch, die Stadt Moskau zwischen den Jahren von 1936 bis 1938, also dem Zeitraum der stalinistischen Schauprozesse, unter Zuhilfenahme nicht nur linearer, ereignisgeschichtlicher, sondern auch allttags-, sozial- und kulturgeschichtlicher Methoden und Vorgänge zu portraitieren. Schlögel sieht erst in der Betrachtung der Gleichzeitigkeit von politischem Terror einerseits und den urbanen Dynamiken andererseits – also den zeitgleich und am gleichen Ort stattfindenden Ereignissen und Entwicklungen in den Bereichen Architektur und Stadtplanung, Film und Musik, Wissenschaft und Publizistik, Alltagsleben und Existenzsicherung – den Schlüssel zum Verständnis sowohl des politischen Terrors als auch des emanzipatorischen Traums, den die sowjetische Metropole in diesem Zeitraum versinnbildlichte. Die Umsetzung dieser vom Autor als „narrative Gleichzeitigkeit“ bezeichneten Methode ist mehr als gelungen: in drei Dutzend großen und kleinen  Kapiteln führt Schlögel den Leser scharfsinnig und erkenntnisreich durch diesen faszinierenden Stadt- und Zeitraum – ein außergewöhnlich gelungenes Buch, das auch noch glänzend geschrieben ist.

Hanser | 2008 | 811 Seiten | Hardcover | 9783446230811 | € 29,90

Hans Ulrich Gumbrecht: California Graffiti | **

gumbrecht_californian

Die Themen dieses Essay – Bandes reichen von Betrachtungen zum intellektuellen und akademischen Leben und über die verschiedensten Aspekte der amerikanischen Alltagskultur bis zu Besuchen bei Gottesdiensten und in Trailer – Parks. Der deutsche, in Kalifornien lebende und lehrende Kulturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht hat durchaus Interessantes und Kluges zu diesen Themen mitzuteilen.  Ärgerlich ist jedoch, daß der Autor durch eine Vielzahl persönlicher (und oft langweiliger) Anekdoten und mittels einer eitel-manierierten Sprache sich wichtigtuerisch vor die Gegenstände seiner Betrachtungen schiebt, was die Lektüre teilweise unerträglich macht.

Hanser | 2010 | 207 Seiten | Hardcover | 9783446235151 | € 15,90

T.C.Boyle: Die Frauen | ****

boyle_frauenBiographischer Roman um das ereignisreiche Leben des Architekten F.L. Wright – ein detailverliebter und sehr unterhaltsamer Ausschnitt aus Boyles literarischer Welt moderner amerikanischer Mythen | BS |

Hanser | 2009 | 560 Seiten | Hardcover | 9783446232693 | € 24,90