Schlagwort-Archive: USA

Tom Rachman: Die Unperfekten | ***

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Der gelernte Journalist Tom Rachman – u.a. arbeitete er in Paris für die International Herald Tribune und als Auslandskorrespondent für AP in Rom – erzählt in seinem Debut-Roman die Geschichte einer fiktiven englischsprachigen Zeitung in Rom: von den Anfängen in den fünfziger Jahren und den darauf folgenden Jahrzehnten des Erfolgs bis zum bitteren, den Umbrüchen in der Medienbranche und personeller Misswirtschaft geschuldeten Ende.- Die zahlreichen, sich vor Begeisterung überschlagenden Kritiker-Stimmen sind unverständlich: Die Unperfekten ist ein netter, unterhaltsamer Gesellschaftsroman aus der Medienbranche, nicht weniger, aber auch nicht mehr.

dtv | 2010 | 394 Seiten | Paperback | 9783423248211 | € 14,90 |

Joshua Ferris: Ins Freie | *****

ferris_freieAls der Protagonist dieses Romans, der erfolgreiche New Yorker Anwalt Tim Farnsworth, eines Tages von einer rätselhaften, von keinem physiologischen Befund erklärbaren Krankheit befallen wird, ändert sich sein Leben und das seiner Familie radikal. Was zunächst wenig spektakulär, vielleicht auch etwas banal klingt, entwickelt sich von Beginn an zu erstklassiger Literatur und bewahrt den Spannungsbogen bis zum überzeugenden Ende. Ferris gelingt ein feinnerviges psychologisches Portrait des Protagonisten und seiner Leiden – an jener Krankheit, die der Autor zwar frei erfunden hat, deren mögliche Existenz dem Leser jedoch selbstverständlich zu sein scheint – sowie deren Auswirkungen auf das familiäre Leben. Ins Freie ist ein dramatischer Familienroman, dessen Qualitäten sich mit denen von Jonathan Franzens Korrekturen messen können und eine nachdrückliche Empfehlung für Leser, die Paolo Giordanos Die Einsamkeit der Primzahlen mochten.

Luchterhand | 2010 | 349 Seiten | Hardcover | 9783630872971 | €19,95

Ian McEwan: Solar | ****

Michael Beard befindet sich in einer Lebenskrise. Er ist Anfang Fünfzig, hat starkes Übergewicht, und zum ersten Mal wurde der notorische Fremdgänger von einer Frau verlassen. Vor vielen Jahren bekam er für eine gute Idee den Nobelpreis für Physik. Seitdem ist es still um ihn geworden. Jetzt kommt er mit nicht ganz legalen Mitteln an Unterlagen, die der Menschheit dabei helfen könnten, die Energieversorgung zu revolutionieren.- Ian McEwan schreibt intelligent und witzig; er benutzt Krimielemente und versteht es, auch die Leser zu fesseln, die nichts von Physik verstehen. Außerdem lernen wir, dass tote Eisbären manchmal gefährlicher sind als lebende…

Diogenes| 2010| 402 Seiten| Hardcover| ISBN 9783257862010|€ 21,90|

 

Don Winslow: Tage der Toten | ****

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Der neue Kriminalroman von Don Winslow nimmt das internationale Drogen – Business in den Blick und erzählt dem Leser eine komplexe und gut komponierte Story, die von Macht, Funktionsweise und den  Konkurrenzkämpfen der nordmexikanischen Drogenkartelle handelt und dem mehr oder minder misslingendem Kampf dagegen: wo so viel Geld verdient wird wie in dieser Schattenwirtschaft, sind zahlreiche korrupte Politiker, Richter und Polizisten daran interessiert, den Beamten der ermittelnden Behörden – DEA, FBI, CIA – ihre Arbeit so schwer wie möglich zu machen. Tage der Toten ist ein sehr gut recherchierter, temporeicher Narco-Thriller mit melodramatischem Ende – empfehlenswert!

Suhrkamp | 2010 | 690 Seiten | Paperback | 9783518462003 | € 14,95

Pete Dexter: Paris Trout | *****

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In Paris Trout, dem ebenfalls mit dem National Book Ward ausgezeichneten Roman des amerikanischen Drehbuch-Autors und Romanciers Pete Dexter, wird eine düstere Geschichte erzählt, die sich in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einem Provinznest in den Südstaaten der USA ereignet: Paris Trout, ein rassistischer und perverser Ladeninhaber und Kredithai, ermordet aus nichtigem Anlaß ein farbiges Mädchen. Alle – halbherzigen – Versuche, ihn dafür zur moralischen und juristischen Verantwortung zu ziehen, scheitern, weil fast alle an der Ermittlung Beteiligten einem gesellschaftlichem Umfeld entstammen, in dem die Ermordung einer Farbigen wenig mehr als eine Ordnungswidrigkeit gilt. Lediglich der Anwalt des Beschuldigten verändert seine Haltung im Laufe der Ermittlungen, deren Ende in eine Katastrophe mündet. Lakonisch geschrieben und elegant komponiert, ist dieses Buch eine nachdrückliche Empfehlung für Liebhaber sozial und politisch grundierter Gesellschaftsromane.

S. Fischer | 2010 | 415 Seiten | Taschenbuch | 9783596185818 | € 9,95

Denis Johnson: Ein gerader Rauch | **

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Der vorliegende voluminöse und mit dem – neben dem Pulitzer-Preis – wichtigsten amerikanischen Literaturpreis, dem National Book Award, ausgezeichnete Roman des renommierten Autors Denis Johnson – der auch von uns durchaus geschätzt wird – ist eine Enttäuschung. Ein gerader Rauch versucht zuviel und scheitert daran. Johnson erzählt von menschlichen Schicksalen rund um den Vietnam-Krieg – von den dräuenden Verhältnissen auf den Philippinen in den den frühen 60er Jahren, wo sich die zukünftigen Konflikte in Vietnam bereits am Horizont ankündigen, bis zu den eigentlichen Verwicklungen im schmutzigen Krieg in Vietnam und Kambodscha: eine christliche Krankenschwester, ein  CIA-Agent , ein ermordeter Priester und ein Vietcong-Agent bilden das Personal in diesem Roman, der sowohl Ereignisgeschichte abbilden als auch ideengeschichtliches Traktat über Sinn und Unsinn menschlichen Lebens und Sterbens sein will – weder das eine noch das andere gelingt. Schade!

Rowohlt | 2010 | 887 Seiten | Taschenbuch | 9783499240416 | € 12.-