Karl Schlögel: Terror und Traum – Moskau 1937 | *****

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Der Slawist und Kulturwisschenschaftler Karl Schlögel unternimmt in diesem Buch den Versuch, die Stadt Moskau zwischen den Jahren von 1936 bis 1938, also dem Zeitraum der stalinistischen Schauprozesse, unter Zuhilfenahme nicht nur linearer, ereignisgeschichtlicher, sondern auch allttags-, sozial- und kulturgeschichtlicher Methoden und Vorgänge zu portraitieren. Schlögel sieht erst in der Betrachtung der Gleichzeitigkeit von politischem Terror einerseits und den urbanen Dynamiken andererseits – also den zeitgleich und am gleichen Ort stattfindenden Ereignissen und Entwicklungen in den Bereichen Architektur und Stadtplanung, Film und Musik, Wissenschaft und Publizistik, Alltagsleben und Existenzsicherung – den Schlüssel zum Verständnis sowohl des politischen Terrors als auch des emanzipatorischen Traums, den die sowjetische Metropole in diesem Zeitraum versinnbildlichte. Die Umsetzung dieser vom Autor als „narrative Gleichzeitigkeit“ bezeichneten Methode ist mehr als gelungen: in drei Dutzend großen und kleinen  Kapiteln führt Schlögel den Leser scharfsinnig und erkenntnisreich durch diesen faszinierenden Stadt- und Zeitraum – ein außergewöhnlich gelungenes Buch, das auch noch glänzend geschrieben ist.

Hanser | 2008 | 811 Seiten | Hardcover | 9783446230811 | € 29,90

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