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Angelika Klüssendorf: Das Mädchen | *****

Das Mädchen von Angelika Klüssendorf hat viele Qualitäten, und die Tatsache, daß dieses Buch für die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2011 nominiert war, zeigt, daß deren vielgescholtene Jury durchaus etwas versteht von Literatur – wenn auch die Wahl des Siegers wieder Zweifel daran weckt.

In sparsamer, verdichteter Sprache erzählt die Autorin die Geschichte eines verwahrlosten Mädchens aus Ostdeutschland, deren Kindheit und Jugend geprägt sind von elterlicher Vernachlässigung & Gewalt, von Sadismus, Überforderung und Brutalität. Als in Folge wiederholter Kleinkriminalität die Einweisung in Gefängnis & staatliche Heime auf die häusliche Gewalt folgen, kämpft sich die Protagonistin trotz auch dort herrschender widriger Umstände frei: Das Mädchen erzählt mit Lakonie, Ironie und Sarkasmus wie das gehen könnte – im falschen Leben zwar kein richtiges, aber überhaupt eins haben zu können. Eine starke Empfehlung für Verabscheuer von Betroffenheits-Literatur & Erfahrungsberichten, aber auch für Leser, die Autoren wie Uwe Tellkamp oder Julia Franck und deren Sicht auf Ost-Deutschland und die deutsch-deutschen Befindlichkeiten für überschätzt halten. Tolles Buch!

Kiepenheuer & Witsch | 2011 | Hardcover | 183 Seiten | 9783462042849 | € 18,99

Wilhelm Genazino: Wenn wir Tiere wären | ***

Wilhelm Genazino, dessen neuer Roman auf der diesjährigen Long-List zum Deutschen Buchpreis stand, gab sich jüngst in dieser Angelegenheit als schlechter Verliererer zu erkennen und kritisierte das Procedere der Preisverleihung als „aufgebauscht“, was nicht wirklich nachvollziehbar ist.
Dabei ist die Entscheidung der Jury, Wenn wir Tiere wären nicht einmal für die Short-List zu nominieren, mehr als verständlich, denn in diesem Roman erzählt Genazino zum wiederholten Mal seit seiner Abschaffel-Trilogie aus dem Jahre 1977 die gleiche Geschichte aus dem beschädigten Leben eines mittelalten Mannes, dessen Marotten, Ticks und Neurosen zwar literarisch gekonnt und zuweilen auch amüsant inszeniert werden, aber im Rückblick auf die zahlreichen vorherigen Bücher mit ähnlichem Personal & ähnlichen Themen mittlerweile doch etwas redundant erscheinen. Wer Genazino kennenlernen möchte, ist gleichwohl hiermit bestens bedient, und für Fans (der ich auch einmal war..) ist dieses Buch sowieso die perfekte Fortschreibung der scheinbar unendlichen Geschichten aus der Feder dieses Autors.

Hanser | 2011 | Hardcover | 158 Seiten | 9783446237384 | € 17,90