Maxim Biller: Im Kopf von Bruno Schulz | *****

biller_kopf„Wie sie sehen, sehr verehrter Herr Thomas Mann, dachte Bruno, ist Ihr Doppelgänger nicht der einzige in Drohobycz, der seine Sinne nicht mehr beisammen hat. Bei meiner Schwester Hania hat es schon sehr früh angefangen, und noch überstürzter verließ mein Vater die Welt und begab sich, lange vor seinem Tod, in das Zwischenreich, in dem er, wie er glaubte, Menschen, Tiere und Pflanzen ohne Worte miteinander sprechen können.“ (S. 24)

Maxim Biller begibt sich in seinem neuen Buch Im Kopf von Bruno Schulz genau dorthin: in die Innenperspektive des polnisch-jüdischen Dichters und Grafikers Bruno Schulz (1892 – 1942), der im Jahr 1938, die bedrohliche Expansion des Nationalsozialismus in Europa vor Augen & die unmittelbar bevorstehende Vernichtung des osteuropäischen Judentums bereits ahnend, in seiner galizischen Heimatstadt Drohobycz einen Brief an Thomas Mann verfaßt. Darin schildert er zum einen das rätselhafte Auftauchen eines scheinbaren Doppelgängers von Thomas Mann in der verschlafenen Provinzstadt, zum anderen bittet er den berühmten Dichter, er möge sich doch für sein eigenes, in Westeuropa nahezu unbekanntes, schriftstellerisches Werk einsetzen.

In düsteren Farben und mittels der literarischen Phantastik entlehnten Bildern & Allegorien zeichnet Biller in dieser Novelle ein Bildnis des Künstlers als unglücklicher Mensch & eine Momentaufnahme einer am Rande des Zusammenbruchs stehenden Welt. Große Literatur.-

Maxim Biller: Im Kopf von Bruno Schulz | Kiepenheuer & Witsch | 2013 | Leinen | mit sechs Zeichnungen von Bruno Schulz | 69 Seiten | 9783462046052 | € 16,99

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert