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Jörg Schröder: Mammut – MÄRZ-Texte 1 & 2 / 1969-1984

Jörg Schröder: MammutAls ich 1984 meine Buchhändler-Ausbildung in der Kölner Traditionsbuchhandlung GONSKI begann – die damals zum Imperium der Bonner Traditionsbuchhandlung BOUVIER gehörte –, nahmen mich die beiden ersten Sortimenter unter ihre beschützenden & inspirierenden Fittiche: Frau Umlauf war verantwortlich für die ›Unterhaltung‹, Herr Zeller für die ›Literatur‹.

Wolfgang Zeller war ein stadtbekannter Impressario des Kölner Kulturbetriebs. Aus Schwaben stammend, wo er sich als junger Mann am Ballett versucht hatte, verschlug es ihn in den späten 60ern nach Köln, wo er zur Szene um den Kneipier & Theatermacher Walter ›Wally‹ Bockmayer gehörte.

Vom ersten Tag der Ausbildung an beschenkte er mich großzügig mit Büchern, von denen er glaubte, daß sie zu mir passen würden – paßte schon, meistens: durch ihn lernte ich u. a. W.S. Burroughs, Gisela Elsner & Thomas Bernhard kennen. Schröders gewichtiger MAMMUT-Band war auch ein Geschenk von ihm: ein Sampler mit literarischen Texten, Essays & Polemiken aus den ersten 15 Jahren des März-Verlags.

Ein Auszug aus dem Text, den Jörg Schröder anläßlich der posthumen Verleihung des Petrarca-Preises an Rolf Dieter Brinkmann 1975 am Mont Ventoux (unter Anwesenheit von Hubert Burda, Michael Krüger, Maleen Brinkmann, Peter Handke und anderer Kulturbetriebler) verfasste & der im April 1983 in der taz erschien:

„Am nächsten Morgen. Balkon. Steh ich da. Ich denke, das kann doch nicht wahr sein. Ein blaues Kleid mit weißen Punkten, ein bißchen verhuscht, das ist doch Maleen Brinkmann. Leck mich am Arsch. Ich soll in den Balkon versinken. Jetzt war mir natürlich klar, bella intuizione, wem die den Preis verleihen wollten und warum der Krüger nicht wollte, daß ich anreise. Flash. Wem kann man posthum so einen Preis verleihen? Brinkmann! Posthum natürlich. Was für ein Wichs. Und dann kam auch schon der pockennarbige bleiche Born aus dem Hotel in seinem Jeansanzug raus und ging auf Frau Brinkmann zu, und ich war so braungebrannt und dünn und sah gut aus, und da habe ich mich schon geschämt, daß ich so wenig kränklich aussah, und gleich werden sie mich da unten alle anmachen, die ganze Bagage. Und dies und das. In meiner komischen Khakijacke. Es gibt Situationen, verstehst Du, wo man lieber nicht so gesund aussehen will. Ich habe noch kurz überlegt, ob ich nicht lieber ’ne Mücke machen soll. Da kam auch noch der Brock ganz locker und machte schon die große Regiebewegung – Komm Peter, mach Dienst. Und Handke. Das darf man ja eigentlich gar nicht erzählen, und deswegen muß man es erzählen. Das ist ja so grauenhaft. Da hatte dieser Fitti, dieser Handke, dieser blöde Spagyriker, hatte der sich doch tatsächlich schon seine hochmodernen Khakihosen bis zum Knie hochgekrempelt, völlig vergeistigt hochgekrempelt, seine Seidenstrümpfe ausgezogen; dumpf auf seinen dürren Beinen stakste er umher und entblödete sich nicht, tatsächlich die Kinderstufen in dieses nichtgefüllte Piscine runterzugehen und in der grünen Restpampe herumzuwaten, hin und her. Entsetzlich.“ (S. 441/442)

Jörg Schröder (Hrsg.): MAMMUT – MÄRZ-Texte 1 & 2 / 1969-1984 | März Verlag | 1984 | 1.274 Seiten | LN m. Schutzumschlag | ISBN: 3888800325