Schlagwort-Archive: Essay

Hans Ulrich Gumbrecht: California Graffiti | **

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Die Themen dieses Essay – Bandes reichen von Betrachtungen zum intellektuellen und akademischen Leben und über die verschiedensten Aspekte der amerikanischen Alltagskultur bis zu Besuchen bei Gottesdiensten und in Trailer – Parks. Der deutsche, in Kalifornien lebende und lehrende Kulturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht hat durchaus Interessantes und Kluges zu diesen Themen mitzuteilen.  Ärgerlich ist jedoch, daß der Autor durch eine Vielzahl persönlicher (und oft langweiliger) Anekdoten und mittels einer eitel-manierierten Sprache sich wichtigtuerisch vor die Gegenstände seiner Betrachtungen schiebt, was die Lektüre teilweise unerträglich macht.

Hanser | 2010 | 207 Seiten | Hardcover | 9783446235151 | € 15,90

Katharina Raabe/Monika Sznajderman (Hg.): Odessa Transfer – Nachrichten vom Schwarzen Meer | ****

odessa_tansferOdessa Transfer ist eine kulturgeschichtlich-literarische Anthologie, deren Autoren (Neal Asherson, Karl-Markus Gauß, Sibylle Lewitscharoff, Emine Sevgi Özdamar u. v. m.) in Reisenotizen, Essays, Reportagen und Erzählungen der Gegenwart und der Geschichte der Staaten, Regionen und Städte rund um das Schwarze Meer einen zeitgenössischen Ausdruck verleihen. Das Spektrum der Themen reicht von den Mythen der Antike über den größten Basar Europas, den „Siebten Kilometer“ am Rande Odessas, bis zur post-sowjetischen Tristesse in den ehemaligen Republiken der UDSSR. Allein von den S/W-Bildern des Photographen Andrzej Kramarz hätte man sich noch mehr gewünscht – und die auch in besserer Druckqualität…

Suhrkamp | 2009 | 258 Seiten | Hardcover | ISBN 9783518421178 | € 26,80

Tom Wolfe: Der Electric Kool-Aid Acid Test. Die legendäre Reise von Ken Kesey und den Merry Pranksters | *****

wolfe_electricIn seiner brillanten Reportage aus dem Jahr 1968 beschreibt Tom Wolfe eine der Geburtsstunden der amerikanischen Hippiebewegung und Gegenkultur. 1964 reiste Ken Kesey, der Autor von „Einer flog über das Kuckucksnest“, zusammen mit einem Haufen Freaks, den „Lustigen Schelmen“,  in einem bemalten ehemaligen Schulbus durch die USA. Bunt gekleidet, immer einen Kanister von mit (damals noch legalem) LSD versetzten Orangensaft an Bord, durchquerte die dadaistische Spaßtruppe die öden amerikanischen Vorstädte und bot so einen perfekten Gegenentwurf zum Leben des gewöhnlichen Spießers. Dem entsprechend wurde die Gruppe von Bürgern und Behörden angefeindet. In den Jahren bis 1968 lebten die Pranksters in einer Kommune in der Nähe von San Francisco, schmissen LSD Partys (Acid Tests) und propagierten die freie Liebe. Tom Wolfe, einer der Begründer des „New Journalism“, ist bei vielen Aktionen als teilnehmender Beobachter dabei. Er lässt die Protagonisten selbst zu Wort kommen und liefert zusammen mit der Musik von Grateful Dead den authentischen Sound zum „Summer of Love“ an der amerikanischen Westküste. Schön, dass dieser Klassiker in einer verbesserten Übersetzung wieder erhältlich ist.

Heyne | 2009 | 560 Seiten | Taschenbuch | 9783453406216 | € 9,95

Maxim Biller: Der gebrauchte Jude – Selbstporträt | ****

biller_judeMaxim Billers Selbstporträt ist eine Sammlung autobiographischer Skizzen des Autors als junger Mann: von ersten Selbstfindungsversuchen bis zu den journalistischen Tempo-Jahren; von den ersten Erfolgen als Erzähler bis zu meinungsscharfen Debatten mit dem etablierten Kulturbetrieb. Der Tonfall ist mal polemisch und aggressiv, mal wehleidig und ein wenig selbstgefällig. Wer sich darauf einläßt, wird mit schillernden Geschichten in eleganter Sprache belohnt. Und wer vorab mehr über die deutsch-jüdischen Befindlichkeiten, innerhalb derer sich Biller verortet, wissen möchte, dem sei der bissig-freundliche Verriß dieses Buches von Henryk M. Broder im SPIEGEL empfohlen.

Kiepenheuer & Witsch | 2009 | 176 Seiten | Hardcover | 978-3-462-03703-6 | € 16,95

Karl-Markus Gauß: Die Hundesser von Svinia | ****

gauss_hundeesserWie versprochen hier nun eine alternative Empfehlung zur Entdeckung von Ostmittel-Europa, die das „geopoetische“, eitle Geschwätz von Andruchowytsch/Stasiuk weit hinter sich läßt. Der österreichische Publizist Karl-Markus Gauß, Chronist des randständigen Europa, erzählt uns in dieser Reise-Reportage von den „Hundeessern“ des ostslowakischen  Svinia, einer Gruppe von 700 Roma, die von anderen slowakischen Roma als „Unberührbare“ gemieden werden und in einem Slum von unvorstellbarer Erbärmlichkeit leben. Dieser erschütternde Bericht aus der Vorhölle auf Erden zeigt auch ehemals optimistischen Zeitgenossen, was aus den – nach der sogenannten „Wende“ vor immerhin 20 Jahren – populären Versprechungen auf zivilgesellschaftlichen Wohlstand in den vormals kommunistischen Staaten Europas geworden ist. Große Literatur.

DTV | 2006 | 128 Seiten | Taschenbuch | 978-3423134378 | € 8,95

Karl Marx: Manifest der kommunistischen Partei | ****

marx_manifestMan muß kein Linker ( oder gar Kommunist ) sein, um diesen gerade mal 37 Reclam-Seiten langen Text der Weltliteratur im hier von Christian Brückner gelesenen Hörbuch faszinierend und spannend zu finden. Brückner gelingt es mühelos, die großen Thesen wie auch die Details „hörbar“ zu machen, und nach 78 Minuten bleibt lediglich die Frage, warum die hier verhandelten Themen auch heutigen Hörern und Lesern bekannt vorkommen. So what..?

Edition Parlando | 2000 | 78 Minuten | 1 CD | 3-935125-05-4 | € 15,95